Mittwoch, 31. Mai 2017

Deutscher Anwaltstag 2017 – Legal Tech im Fokus

Vom 24.-26. Mai 2017 fand der 68. Deutsche Anwaltstag in Essen statt. Dieses Jahr versammelte sich die Szene unter der Überschrift „Innovationen und Legal Tech“ und beschäftigte sich mit den Herausforderungen und Chancen des digitalen Wandels in der juristischen Welt. Wir haben uns unters Publikum gemischt und mal ein wenig gelauscht, wie Legal Tech in der deutschen Anwaltswelt wahrgenommen wird.

Anwälte vs. Legal Tech

Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Ullrich Schellenberg, eröffnete die Veranstaltung. Er zeigte auf, wie schwierig der Deutsche Anwaltverein die Themen Legal Tech und Digitalisierung sieht. So sagte er unter anderem: „wir [vom Deutschen Anwaltverein] sehen es kritisch, wenn uns jetzt Internetplattformen oder Rechtsgeneratoren ersetzen sollen“ und stellte fest, dass Legal Tech das Wissensmonopol der Juristen in Frage stellt.

Andere Juristen betonten, dass sie nicht als bloße „Subsumtionsautomaten“ verstanden werden möchten, die Definitionen und Lösungen aus dem Stand herunterbeten. Vielmehr zeichneten sich Anwälte durch Kreativität und Individualität bei der Falllösung aus und seien damit gegenüber Legal-Tech-Angeboten im Vorteil.

Schnell kam dabei der Eindruck auf, Anwälte und Juristen würden sich gegen Legal Tech und Innovation stellen. Schellenberger bekräftigte noch einmal, dass die die Stärke der Juristen ihr Expertenwissen und das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant sei.

Doch es gab auch andere Stimmen: Prof. Dr. Stephan Breidenbach erklärte den Zuhörern, dass die Welten der Juristen und Programmierer gar nicht so weit auseinanderlägen und Anwälte nach der Formel „Recht ist Code“ arbeiteten. Auch Prof. Niko Härting setzte sich in einem Streitgespräch unter dem Titel „Bessere Technik, bessere Anwälte, besseres Recht?“ vehement dafür ein, die Digitalisierung als Chance wahrzunehmen.

Einen Einblick in die technische Welt erhielten wir insbesondere durch den Vortrag von Stefan Mueck von IBM Germany. Er sprach über IBM Watson und das Programm ROSS, das bereits in der Kanzleiarbeit in den USA genutzt wird. ROSS übernimmt dort Rechercheaufgaben und leicht zu standardisierende Aufgaben. Bislang sind die Aufgaben, die ein auf Algorithmen basierendes Programm lösen kann, auf bestimmte Dienstleistungen beschränkt - doch der Anteil wächst. Bisher allerdings vor allem bei internationalen Großkanzleien und auch dort bisher nur langsam.


Der Blick von oben

Es gab auf dem Deutschen Anwaltstag leider noch zu wenige starke Stimmen, die sich für Legal Tech ausgesprochen und das Thema differenziert betrachtet haben. So sollte man zum Beispiel auch in den Vordergrund stellen, dass intelligente Datenbanken die Juristen beim Expertenwissen klug ergänzen können – schließlich können Computer schnell auf viel Wissen zurückgreifen!

Viele Juristen behaupten, Jura sei der Mathematik ähnlich, weil auch hier die Arbeit sehr logisch strukturiert ist. Bereits im Jurastudium müssen Definitionen auswendig beherrscht und mit den richtigen Normen und Definitionen in Verbindung gebracht werden. Urteile und Klageschriften sind ebenfalls weitgehend standardisiert. Es kommen immer wiederkehrende Schemata auf und diese lassen sich in einzelne kleine Schritte ganz logisch aufteilen. Genau dafür gibt es Lehrbücher, Kommentare und Formularhandbücher Das ist relativ repetitiv - und genau diese repetitiven Aufgaben sind es, in denen Maschinen dem Menschen eigentlich überlegen sind!

Wer das Thema ignoriert riskiert zudem, entscheidende Wettbewerbsvorteile zu verpassen. Denn wettbewerbsfähig kann in der vernetzten Welt nur bleiben, wer sich mit exzellenter Technik wappnet. Das hängt auch mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten zusammen. Mandanten vertrauen demjenigen, der einen guten Ruf genießt und kosteneffizient arbeitet. Nutzt der Anwalt die digitalen Möglichkeiten nicht, wird er weniger effizient arbeiten als seine Konkurrenten, weil er wesentlich länger für repetitive Tätigkeiten wie die Recherche oder Schriftsätze benötigt.


Mit der Zeit gehen

Auf dem Deutschen Anwaltstag haben wir gesehen, dass der clevere Anwalt den digitalen Wandel für sich nutzen wird. Dadurch kann er seine eigene Dienstleistung verbessern und einen gewaltigen Vorsprung gegenüber eher skeptischen Konkurrenten haben. Legal Tech ist nicht der Feind der Juristen, sondern eine Arbeitsunterstützung. Es stellt den Taschenrechner der juristischen Welt dar. In der heutigen Arbeitswelt löst auch niemand mehr komplexe Rechenprobleme mit Zettel und Stift.Die juristische Welt ist nicht die einzige, die vom digitalen Wandel erfasst wurde. Bereits andere versuchten, sich gegen den digitalen Wandel zu stellen, statt ihn zu nutzen. Videotheken gegen Netflix oder Lexika gegen Wikipedia sind nur einige Beispiel von veralteten Technologien, bei denen die Zeichen der Zeit ignoriert wurden statt die Zukunft mitzugestalten. Im Ergebnis zeigte der 68. Deutsche Anwaltstag in Essen, dass sich viele Juristen im „Innovator’s Dilemma“ befinden und noch sehr skeptisch gegenüber Legal Tech sind. Wir vom Elchwinkel zeigen uns lieber optimistisch und folgen unserem Credo:


Don’t work harder. Work smarter.